Interview Michael Kunert
Zwei Jahrzehnte „Kuni“ bei der „Night of the Proms“
Michael Kunert aus Calw ist als Pressesprecher eine der Säulen der Produktion
Das Interview mit Michael Kunert
Seinen 20. Geburtstag bei der „Night of the Proms“ feiert Michael Kunert, Inhaber der Kunicom PR-Manufactur sowie des Café „Hotroad“, beide im Baden-Würtembergischen Calw. Wie Michael als Pressesprecher zur Night of the Proms kam, welche Aufgaben er genau inne hat, warum Stuttgart nicht seine Lieblingsstadt auf Tour ist und welche Bekanntschaft er mit dem Hund von Debbie Harrie einst hatte, erzählt er dem Musikjournalisten und Night of the Proms-Kenner Marcus Wadle im Interview vor Beginn der Tournee.
Marcus: Du bist seit 20 Jahren bei der Night of the Proms dabei und nicht mehr wegzudenken. Es gab für Dich mit Sicherheit auch eine Zeit vor der Night of the Proms.Wie bist Du zur NotP gekommen?
Michael: Du stellst Fragen (lacht). Ich kann mich kaum noch an eine Zeit davor erinnern. Ich hatte 1994 mit einem Kollegen eine kleine PR-Agentur in Augsburg gegründet. Wir hatten damals primär PR für einige Majors gemacht, vornehmlich Radio-Promo.
Mein damaliger Companion kannte Dirk Hohmeyer, der damals einen „Presseonkel“ für die Proms suchte. Auf der Tournee 1997 war dieser erstmals dabei. Ich habe nur das Back-Office in Augsburg geleitet. Nach wenigen Tagen kam dann der Anruf, ich sollte die Tournee übernehmen, da es zwischen meinem damaligen Kollegen und Dirk Hohmeyer gekracht hatte. Entweder ich komme oder wir wären den Auftrag los.
Ich bin damals nach München gefahren, ins kalte Wasser gesprungen und hab mir nach zehn Minuten erst einmal im Load-in Bereich von Debbie Harris´ Hund auf die Schuhe kacken lassen. Jim Kerr und Alan Parsons haben sich halb totgelacht und wir hatten einen genialen Abend. Irgendwie hat sich schnell herausgestellt, dass ich eher die Frontsau von uns beiden war und seitdem bin ich bei der Proms dabei.
Du zählt zum sogenannten „Inner Circle“ der NotP-Familie und bist wie es früher im Fachjargon so schön hieß, der Medien-Direktor. Welche Aufgaben hat ein Medien-Direktor in Zeiten von Multi-Media mit Facebook, Twitter und Co. im Jahre 2016. Kannst Du uns Einblicke in Deine Arbeit geben? Die beginnt auch nicht erst mit dem Tourstart sondern schon wesentlich früher.
Die Arbeit für eine Tour beginnt teilweise schon ein Jahr im Voraus, so dass ich jetzt schon für die Tour 2017 Vorbereitungen treffen muss. Zudem haben sich die Aufgaben im Laufe der Jahre natürlich auch geändert. Während ich in den Anfangsjahren noch Negative und Bildabzüge zu hunderten kopieren lassen musste und VHS Kasetten auf meinem Schreibtisch gestapelt habe, ist das Ganze in der heutigen digitalen Zeit natürlich viel schneller und einfacher. Meine Aufgabe beginnt häufig mit der Vorbereitung von textlichem Material. Sobald die Künstler für die Tour feststehen, recherchiere ich das offizielle Material der Künstler, also Biographien, Fotos und Videofootage, um damit möglichst viele Journalisten auszustatten, die dann im Vorfeld der Tournee darüber berichten sollen. Zudem pflege ich die Website und verschieden Social-Media-Kanäle, scheide Radio- und Video-Spots und bereite den Tagesablauf der Künstler auf der Tournee vor. Zudem organisiere ich die Pressekonferenz oder andere Pressetermine im Laufe des Jahres.
Gerade haben wir ein Unplugged-Konzert mit Stefanie Heinzmann bei Radio Regenbogen gemacht. Darüber hinaus koordiniere ich die Interview-Anfagen mit den Managements und bin für die Akkreditierungen der Journalisten vor Ort zuständig.
An den Showtagen sorge ich dafür, dass die vorbereiteten Interviews dann auch entsprechend stattfinden, führe Sonderaktionen mit den Künstlern durch und bin ansonsten auch Mädchen für alles, was im Produktionsbüro anfällt. Da muss der eine Künstler zum Zahnarzt und der andere einen Gebraucht-Oldtimer anschauen. Wenn dann gerade kein anderer Zeit hat, mach ich auch solche Dinge.
Wie sieht ein Tour-Alltag von Michael Kunert aus? Nach der Show hast Du keinen Feierabend.
Ich kann mich erinnern, dass Du nach einem Konzert in den frühen Morgenstunden noch für Funk & Fernseh-Anstalten Material liefern musstest.Wann kommst Du nach einem Konzert ins Bett?
Das ist ganz unterschiedlich. In der Regel frühstücken wir um 9 Uhr und machen uns um 10:00 Uhr auf den Weg in die nächste Stadt.
Dort checken wir ins Hotel ein und machen uns auf den Weg in die Halle.
In der Regel bin ich um spätestens 15:00 Uhr da.
Dann baue ich mit meinen Flightcase, das Produktionsbüro von PSE Germany auf, schaue, dass der Drucker funktioniert und unser WLAN steht.
Dann werden die Listen mit den akkreditierten Fotografen vorbereitet und die Media- und Backstagepässe ausgestellt.
Bis zum Eintreffen der Künstler um 18:00 Uhr schneide ich in der Regel Videos vom Vortag, die dann noch online gehen sollen.
Danach werden die Inhalte für die Hallen-Screens gecheckt, damit in der jeweiligen Stadt auch die richtigen Screens eingeblendet werden.
Ab 18:00 Uhr gibt es dann Interviews mit den Künstlern bis zum Konzertbeginn.
Ab 19:00 Uhr öffnet der Pressecounter für die akkreditierten Journalisten und Fotografen.
Diese werden dann eingewiesen und am Bühnenrand „geparkt“.
Um 20:00 Uhr startet die Show.
Sobald diese läuft und die Fotografen im Graben sind, haben wir 30 Minuten Zeit zum Essen. Während die Show läuft, machen wir mit den Künstlern, die nicht auf der Bühne stehen Interviews Backstage.
In der Pause gibt es immer irgendwelche Aktionen: Meet & Greet, Interviews, Backstege-Führungen, Live-Broadcast oder ähnliches.
Nach Ende der Show wird das Material des Abends gesichtet, Fotos approved und Videomaterial geschnitten, um möglichst zeitnah mit dem Footage online gehen zu können. Gewöhnlich sind wir dann zwischen 01:00 Uhr und 02:00 Uhr im Hotel. Meistens steht dann noch 60 Minuten Schreibkram an, bevor es auf einen letzten Drink an die Bar geht.
Ein wesentlicher Bestandteil Deiner Arbeit ist der Kontakt mit den Medienvertretern. Diese nehmen in Zeiten von Online-Medien zu, mehr und mehr Fotografen von Online-Magazinen und Blogger kommen auf den Markt.
Wie interessant sind diese für eine Night of the Proms im Gegensatz zum traditionellen Medien-Vertreter der Tagespresse?
Die Medienlandschaft ändert sich so schnell wie nie zuvor.
Zum einen herrscht eine verrückte Fluktuation in den Redaktionen und bei manchen Medien lohnt es sich nicht, den Namen des Redakteurs zu speichern, da er bis im kommenden Jahr eh nicht mehr dort sein wird. Zum anderen gibt es kaum noch feste Mitarbeiter, worunter auch die Qualität bei vielen Printmedien leidet. Oft muss der Fotograf noch die Konzertkritik schreiben oder der Journalist die Fotos machen, da die Häuser nicht zwei Personen für so eine Veranstaltung abstellen können. Zudem gibt es im Online-Bereich ein brutales Preisdumping. Da nimmt man für einen Appel und ein Ei auch gerne das Bild eines Hobbyfotografen. Trotz all dieser Entwicklungen sind wir unserem Motto aus den Anfangstagen treu geblieben. Wenn ein Journalist bei uns anfragt, ob er über die Show berichten darf oder ein Interview machen will, unterscheiden wir nicht zwischen „wichtigen“ und „unwichtigen“ Pressevertretern.
Da wir Jahr für Jahr wieder kommen, haben wir oft erlebt, dass der Redakteur der Schülerzeitung zwei Jahre später Volontär bei der Tageszeitung und weitere zwei Jahre später Redakteur in einem großen Sender ist. Da zahlt es sich dann aus, alle Journalisten mit Respekt und höflich zu behandeln und ihnen jedes Jahr das Arbeiten in unserem Umfeld so angenehm wie möglich zu machen. Komischerweise gibt es noch nicht viele Anfragen von Bloggern zur Night of the Proms. Das liegt aber vielleicht auch am Durchschnittsalter unserer Zielgruppe. Ich freue mich aber auf jede Anfrage von auch noch so kleinen Blogs oder Websites solange diese mit der ernsten Absicht kommen wollen, auch wirklich über die Show zu berichten. Leider gibt es hier auch viele Schnorrer, von denen Du nie auch nur ein Wort über Show online finden wirst.
Gestaltet es sich manchmal kompliziert für Dich zwischen Presse-Vertretern und Künstler-Managements bei Interview-Anfragen zu vermitteln und ein Lösung zu finden, da in den USA der Künstler die Journaille vielleicht nicht so nahe an sich lässt wie es der deutsche Medienvertreter gewohnt ist?
Das kann schon mal vorkommen. Da hilft aber die familiäre Atmosphäre auf unserer Tour ungemein. Da wir ja keine Tournee einkaufen und durchführen, sondern die Show selbst produzieren, sind wir eh viel näher an den Künstlern dran.
Zum anderen schicken viele Stars ihre Tournee-Manager auch nach ein paar Tagen nach Hause, da diese bei den Proms eigentlich kaum was zu tun haben. Damit kann ich meine Anfragen meist direkt persönlich an den Künstler stellen, die dann auch oftmals viel entspannter reagieren als Managements, die natürlich auch ihr Dasein rechtfertigen müssen. Dies geschieht dann in der Regel durch unzählige Mails, die das Leben dann kompliziert werden lassen.
Wir arbeiten auf sehr hohem Niveau, das heißt, wenn ich den Künstler dazu bringe, ein bestimmtes Interview zu machen, kann er auch sicher sein, dass ich ihm nicht irgendeinen unvorbereiteten Heini vor die Nase setze. Wenn wir 15 Minuten vereinbaren, sorge ich auch dafür, dass nach 15 Minuten Schluss ist. Im Gegenzug fordere ich aber auch von den Künstlern ein, dass diese zum vereinbarten Termin auch wirklich bereit sind. Das ist ein Geben und Nehmen.
Der Fotograf will natürlich alle Künstler der Night of the Proms fotografieren und darf es auch. Gab es auch schon Sänger oder Bands, die sich nicht fotografieren lassen wollten und vor dem ersten Konzert der Tour erst Überzeugungsarbeit geleistet werden musste?
Dies ist in der Regel kein Problem. Zum einen sind die Künstler ja alle so professionell, dass sie wissen, wie wichtig gute Fotos von der Show auch für uns sind, zum anderen nutzen ja die meisten der Acts die Proms als Promotion-Plattform für ihre eigenen Projekte im Anschluss und würden sich ja ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie nicht fotografiert werden wollen.
Bei einer fast einmonatigen Tournee gibt es mit Sicherheit einige lustige Anekdoten, kannst Du auch aus Deinem Bereich berichten oder bleibt das alles hinter verschlossenen Türen? (schmunzelt)
Ich könnte mein restliches Leben mit Schreiben von Anekdoten verbringen, aber was Backstage außerhalb der Öffentlichkeit passiert, bleibt auch Backstage.
Kannst Du während der Show auch abschalten und Dich ins Publikum begeben oder bist Du dann lieber für Dich alleine in Deinem Büro in der Arena?
Wenn die Show nach dem Tourneestart einmal sauber „rennt“, also alles eingegrooved ist und die wichtigen Medienstädte abgearbeitet sind, kehrt die jährliche Routine auch in unser Tour-Leben ein und dann findet man auch mal ein paar Minuten Ruhe während der Show. Ins Publikum setzen funktioniert aber nicht, da Du immer in Charge bist, irgendwelche Dinge sind immer zu tun.
Ich habe letztes Jahr bei der vorletzten Show erstmals einen Blick auf die Bühne werfen können, das ist manchmal bitter. Ruhe gibt es immer erst nach der Tour.
Gibt es während einer Tournee für Dich auch Stress-Situationen oder ist nach vielen Jahren die Routine bei Dir so ausgeprägt, dass nichts mehr schief gehen kann?
Ein gesunder Stress sorgt oft für die nötige Aufmerksamkeit, und ist eigentlich immer da.
Natürlich entwickelst Du nach so vielen Jahren eine gewisse Routine im Umgang mit Herausforderungen aber jede Tour ist anders, jeder Künstler anders und jeder Tag stellt Dich vor neue Herausforderungen. Routine würde den Job auch wahrscheinlich langweiliger machen.
Wichtig ist einfach, dass Du nach außen hin Ruhe bewahrst und den Stress nicht im ganzen Produktionsbüro verbreitest. Hier hilft bei der Proms ein unglaublich geiles Team, das sich gegenseitig unterstützt und ein gutes Gespür dafür hat wie es einem geht.
Du warst beim Konzert in Stuttgart selbst Veranstalter, bist dann in eine andere Rolle geschlüpft. Wie bist Du auf die Idee gekommen, selbst als örtlicher Veranstalter tätig zu werden?
Ich war für ein paar Jahre übergangsweise örtlicher Veranstalter in Stuttgart, nachdem sich der Tournee-Veranstalter von einem örtlichen Veranstalter getrennt hatte.
Ich kannte die Tournee, bin in der Nähe von Stuttgart beheimatet und mit den Abläufen vertraut. Da hat es sich angeboten, dass einen „Insider“ machen zu lassen. Mit dem „Musiccircus“ haben wir seit 2014 einen tollen örtlichen Veranstalter, der meine Arbeit hier überflüssig gemacht hat.
Gibt es für Dich eine Lieblingsstadt auf Tournee außer wahrscheinlich Stuttgart, auf die Du Dich jedes Jahr aufs Neue freust? (lacht)
Stuttgart? Bist Du irre? Stuttgart ist eine der Tour-Städte, bei denen die halbe Produktion im Truck bleibt, da die Halle so niedrig und voller Schwaben ist. Sie hat den wahrscheinlich ältesten und engsten Backstage-Bereich, das kleinste Büro etc..
Am meisten freue ich mich eigentlich auf München, die Hometown der Proms, mit der wahrscheinlich geilsten Stimmung einer Samstagsshow auf der ganzen Tour.
Hier gehen die Leute mega ab. Zudem sind die Backstageräume großzügig und zentral angelegt, die Wege kurz und Du hast bei drei Shows in einer Stadt auch mal die Möglichkeit, etwas Freizeit zu haben. Dann ist die Frankfurter Festhalle noch ein Favorit, da hier eine unglaublich geile Stimmung und Atmosphäre herrscht. Und letztendlich hat das Ganze auch mit dem örtlichen Veranstalter zu tun. Hier gibt es ja auch persönlich mehr oder weniger engere Kontakte in der einen oder anderen Stadt.
Vielen Dank Kuni!
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